--- Gang der Akademie, 19:51
Jemima Elliot ging die Gänge des Sternenflottenakademie
Gebäudes entlang. Sie hätte ja gerne jemanden gefragt, wo
ihr Quartier lag, aber wenn niemand da war, wen sollte sie
dann fragen? Sie bog um die nächste Ecke. Lauter Lärm
erreichte sie von weiter her.
Hatte sie vielleicht was verpaßt? War vielleicht das
Training ihrer Gruppe schon angelaufen und Sie hatte es mal
wieder vergessen? Oh nein. Naja, shit happens. Aber als sie
den Gang bis zur Ecke erreicht hatte, übersah sie die
gesamte Situation und war sich sicher... Das war kein
Training.
Jemima Elliot war 16 Jahre alt und vor genau zwei Wochen
hatte sie beschlossen, die Akademie zu besuchen.
Sie bekam grundsätzlich, was sie wollte. Konnte immer alles
von irgendwoher besorgen und ebenso schnell war sie auf der
Akademie Kadett. Es gab vermutlich auf dem ganzen
Föderationsterritorum kaum einen mächtigen Menschen, zu dem
sie nicht über einige Umwege Beziehungen hatte. Gerade
bestand also ihr Wunsch darin, Navigatorin zu werden.
Und genau jetzt beobachtete sie grinsend die aufgebrachte
Menge von Leuten. Zumeist Kadetten.
Das scheint hier ja gar nicht so spießig zu sein, wie ihr
alle so prophezeit hatten.
Weiter grinsend beobachtete sie, wie sich plötzlich einige
Kadetten aus der Gruppe abzusetzen versuchten. Schon
erkannte sie vom anderen Ende her einen Offizier nahen.
Der nächste Ausweg war eine Tür in relativer Nähe zur
Meute. Denn wenn sie um die Ecke biegen würde, dann würde
das auffallen und das machte sich nicht gut.
Ohne, daß sie jemand bemerkte, schlüpfte sie in den Raum.
Leider war es völlig dunkel.
Durch ein leises Summen konnte sie abschätzen, wie groß der
Raum war. Und er WAR groß.
Es schien ein stillgelegter Vorlesungssaal zu sein, wie sie
ziemlich schnell herausfand, als sie eine der Sitzbänke
ertastet hatte. Sie setzte sich auf eine der Bänke, die sie
für die zweite Reihe hielt.
Der Saal mußte wirklich schon länger nicht mehr genutzt
worden sein, denn die Stufenform des Saales war nicht
gerade für kleinere Gruppen gedacht.
"Computer?"
Ein Antwortpiepen erklang. Sie lächelte. "Warte: Auf mein
Signal Licht zu machen." flüsterte sie. "Bitte
spezifizieren Sie."
"Ein Klopfen".
Jemima legte ihre Beine auf den Tisch und verschränkte die
Arme. Das könnte ja Ewigkeiten dauern, bis die
Offiziere die Meute draußen getrennt hatten.
Mit hydraulischem Zischen öffnete sich die Tür. Den
Geräuschen nach zu urteilen drei Personen.
Vermutlich handelte es sich genau um die drei Personen,
aus der Meute von vorhin, die es nicht auf Prügelei
abgesehen hatten.
Im Dunkeln machte sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht breit.
Sie konnte erkennen, wie eine der Personen versuchte, durch
den Tricorder den Raum etwas zu erhellen.
Vorsichtig versuchte Jemima Elliot ihre Armverschränkung
wieder zu lösen. Aber leider waren die schwarzen
Tarnanzüge, die sie in ihrer Freizeit ständig anhatte nicht
geräuschlos und ein leises Rascheln verriet ihre
Anwesenheit.
"Schade", dachte sie bei sich und konnte sich die
Überraschung auf den Gesichtern der anderen Personen nur
vorstellen.
Jemima klopfte auf den Tisch und sofort erhellte sich der
ganze Saal.
"Es werde Licht."
Ohne auch nur eine ihrer zugegebenermaßen theatralischen
Gesten dabei zu bereuen, grinste sie mit aller Frechheit
die drei hockenden Personen an.
--- unbekannter Raum, 19:54
Sukie Linebarger blinzelte erst einmal, bis sich ihre
Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten,
dann starrte sie die Gestalt, die Licht gemacht hatte,
fassungslos an. Sie sah zwar etwas seltsam aus, mit so
extrem weißer Haut, daß selbst die eher blasse Sukie
dagegen fast schon braungebrannt wirkte, und die
Helligkeit erstreckte sich auch auf ihre Haare. Sehr
seltsam waren auch die roten Augen des Mädchens- sie
nahm an, daß sie etwas jünger war als sie selbst-
trotzdem kam es ihr plötzlich lächerlich vor, daß sie
sich gefürchtet hatte. "Darf ich fragen, wer du bist?"
sagte sie.
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Als das Licht den Raum wieder flutete entdeckte sie, genau
wie sie geschätzt hatte, die besagten drei Personen, die
sich der Menge entzogen hatten. Zwei Frauen und ein Mann.
Wie es schien, waren alle älter als sie und ebenso hatten
sie alle aus der Hocke den Blick auf sie gerichtet.
Es sah nur zu komisch aus!
Trotz der weniger standfesten Lage fragte eine der Frauen
sofort selbstsicher "Darf ich fragen, wer du bist?"
Jemima stand mit einer eleganten Bewegung auf, bei der sich
auch die anderen aus der Hocke erhoben, und erwiderte in
einem parodiert-gestochenen Tonfall: "Sie dürfen, Kadett,
Sie dürfen."
Sie trat an eine der Anzeigentafeln heran, aktivierte sie
und suchte den Bauplan der Akademie.
"Ich bin Jemima Elliot, Kadett des ersten Tages." fügte sie
eher nebensächlich hinzu, wobei auch diesmal eine Satire
des Standartspruchs "des ersten Jahres" nicht fehlte.
"Und jetzt schlage ich vor, zu verschwinden, bevor die
werten Offiziere noch bemerken, daß SIE und ich uns der
Verantwortung einer Standpauke entziehen wollten."
Sie deaktivierte das Display und durchquerte den Raum bis
zur obersten Stufe. Dort entfernte sie die Abdeckung eines
veralteten Wartungsschachts.
"Wollt ihr Wurzeln schlagen?" Sie grinste wieder.
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"Ich gehe da nicht rein", protestierte Linebarger. "Das letzte Mal, als ich durch so einen Schacht geklettert bin, bin ich fast umgebracht worden. Das ist grad mal zwei Tage her, jetzt habe ich mich endlich wieder halbwegs erholt und jetzt soll ich da schon wieder rein. Tut mir leid, ich mache das nicht. Da müßte man mich schon mit Gewalt reinstoßen", sagte sie und baute sich herausfordernd auf- was bei ihrer bestenfalls durchschnittlichen Größe von 1,66 und dem nicht gerade muskelbepackten, schlanken Körperbau sicher nicht so imposant wirkte, wie sie es wohl beabsichtigt hatte.
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Endlich konnte sich Mike fassen. Erst hatte er fast einen Schock erlitten,
da er alles andere als einen Kadetten in dem dunklen Raum vorzufinden erwartet hatte. Er war
erstaunt, daß sie für einen "Kadetten des ersten Tages" recht frech und
vorlaut war. Dann schaute er mit einem fragenden Blick zu Sukie. Wo sie recht hatte,
hatte sie recht. Die Tür durch sie gekommen waren, führte auf Umwegen wieder zu
der Schlägerei und bei der Tür, durch die Jemima gekommen war, mußte die
Situation ähnlich sein - dann war dies wohl tatsächlich der einzige Ausweg.
Er überlegte kurz, trat dann hinter Sukie und flüsterte ihr ins Ohr: "Sie
hat wohl recht, aber da du dich von ihr nicht hineinziehen lassen willst,
müßte ich dich dann wohl hineinziehen!". Dann stand er mit einem breiten,
neckischen Grinsen vor Sukie und blähte seinen Brustkorb auf, um auch seinerseits
bedrohlich zu wirken. Dann blickte er über seine Schulter und begann erneut:
"Na los komm! Oder willst du dich erwischen lassen? Und außerdem ist das ein
gutes Training!" Er zwinkerte und drehte seinen Kopf wieder in Richtung
Lüftungsschacht. Dann streckte er Sukie seine Hand hin und meinte: "Ladies first!".
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Linebarger wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
Natürlich wußte sie im Grunde genommen nur zu gut, daß
sie recht hatten- aber alle Logik nützt ihr nichts
mehr. Ein Gefühl der Panik stieg unaufhaltsam in ihr
hoch, ohne, daß sie sich dagegen wehren konnte. "Ihr
könnt´ sagen, was ihr wollt, ich kletterte trotzdem
nicht da rein", protestierte sie.
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"Na los, überwind' dich!" meinte Mike ein bißchen gestreßt, denn er
erwartete jeden Moment einen Offizier, der sie entdecken würde. Mike sah, daß Sukie
sich immer noch weigerte, mitzukommen. Mike harrte kurz aus, überlegte und
kehrte dann dem Lüftungsschacht den Rücken zu. "Wenn du nicht gehst, gehe ich
auch nicht!" Mike verschränkte die Arme und machte ein möglichst entschlossenes
Gesicht.