Die Schiffe der Sasani

von Nicole Wewior

Eingesandt zum Story Contest der StarTrek Association 2008

Das leuchtend grüne Gras roch nach Frühling und eine sanfte, warme Briese lies das blaue Haar der jungen Frau wehen. Ob es an einer kitzelnden Haarsträhne oder dem strahlenden Sonnenschein lag, das sie niesen musste, wusste sie nicht - es war ihr im Moment auch egal.

Ihr Blick richtete sich nach oben als würde sie erwarten etwas zu sehen, aber da waren nur kleine Schäfchenwolken und blauer Himmel. Ein perfekter Tag, der einen dazu einlud, sich im weichen Gras auszuruhen. Langsam lies sich die Frau - oder war es noch ein Mädchen? - nieder. Einfach ausruhen und der Verlockung nachgeben. Wieder blickte sie nach gen Himmel. Was erwartete sie da eigentlich zu sehen? Sie zuckte zusammen. "Ich darf nicht hier sein!" ermahnte sie sich selbst und schloss die Augen fest.

Der Himmel verdunkelte sich. Etwas durchstieß die sporadische Wolkendecke und um die junge Frau herum wurde es dunkel. Das Gras verschwand und machte einem surrealen Gewirr aus Zahlenkolonnen und Strömen platz.

 

Die 'KI' des Sasani Kreuzers war wieder in ihrer Funktion. Sie hoffte nur, dass niemand der Besatzung gemerkt hatte, dass sie sich einen winzigen Teil ihres menschlichen Selbst bewahrt hatte. Trotz der Emotionsblocker und der Anwendung bewusstseinsverändernder Substanzen, trotz der überwachenden Apparatur, an welche sie angeschlossen war und trotz ihrer Aufgaben, dass Schiff zu steuern, war da noch immer das 9 jährige Mädchen präsent, welches von den Sasani einst entführt wurde. Inzwischen war aus dem Mädchen eine junge Frau und ein Teil einer Maschine geworden - ein lebender Teil.  

Kinder waren so leicht manipulierbar - das trifft auf Menschenkinder zu genau so wie auf die meisten Kinder anderer Rassen.

Laut den Zeitprotokollen des Kreuzers, war es vor acht Jahren, doch der jungen Frau kam es vor, als wäre es gestern gewesen, dass die vermummten Krieger in das Forschungslager der Sternenflotte einfielen. Als wären erst ein paar Stunden vergangen, das ihre Eltern mit den anderen Erwachsenen getötet und die Kinder entführt wurden. Als wären nur Minuten vergangen, dass man sie mit Emotionsblockern und Drogen präpariert an ein System angeschlossen hatte um ihr ihre neuen Aufgaben als Herz eines Sasani Kreuzers zu vermitteln. Jeder hatte zu Anfang, als der Drang der Freiheit groß und die Persönlichkeit noch nicht gänzlich unterdrückt war, versucht, mit den neuen Fähigkeiten, das System zu übernehmen um ihre Peiniger außer Gefecht zu setzen und zu fliehen, doch schnell mussten sie sehen, das die Sicherheitsvorkehrungen, welche die KI's kontrollierte, ganze Arbeit leistete.  

Bei dem einen führte dieser Drang nach Freiheit und der Kampf gegen die Sasani zum Tod, bei den meisten verebbte er mit dem Verlust der Persönlichkeit. Diese Individuen wurden dann als lebende KI auf einem Kreuzer eingesetzt.

 

Manchmal passierte es jedoch, und das wusste die KI aus Logbüchern, dass eine KI ausgetauscht werden musste, da ihre Persönlichkeit noch intakt oder wieder aufgeflammt war. Wurde dies von den Kontrollmechanismen bemerkt, wurde die KI abgekoppelt, ersetzt und einer neuen 'Ausbildung' unterzogen. Dummheit und Arroganz war eine Eigenschaft, welche den Sasani - Wissenschaftlern nicht zu eigen war. Sie hatten durchaus in betracht gezogen, das so etwas vorkam und entsprechende Vorkehrungen getroffen. Eine außer Kontrolle geratene KI konnte im Bruchteil einer Sekunde vom Schiff abgekoppelt werden. Eine KI, welche sich befreien wollte, würde versuchen, diesen Mechanismus außer Kraft zu setzen - für eine funktionsfähige KI war er nur logisch.

Und das war es, was diese KI von anderen unterschied: Sie hatte es geschafft, die Kontrollen zu täuschen indem sie sich zwang ihre Möglichkeiten nicht in einem sinnlosen Ausbruch zu vergeuden, ihre Wut zu unterdrücken. Diese KI hoffte. Sie hoffte auf Rettung. Diese KI - das kleine Mädchen in ihr - hatte Angst. Große Angst, dass ihr auch der Letzte Funke ihrer Persönlichkeit, durch eine Unachtsamkeit entglitt.  

 

Erleichtert stellte die KI fest, dass ihre Werte  den Ingenieuren wohl keinen Grund zur Sorge gegeben hatten. Doch etwas anderes lies neue Furcht in ihre aufsteigen. Sie sollte die Waffen des Kreuzers laden. Die Zielkoordinaten zeigten auf etwas auf dem Planeten - ein Forschungscamp.  

 

 

=/\= USS Eureka, Brücke =/\=

"Die Sasani haben Position bezogen und laden ihre Waffen. Sie visieren das Camp an." meldete der großgewachsene Sicherheitschef - ein Risianer mit langen, dunklen Haaren und schwarzen Augen -  an der Taktik. Seine Stimme war ruhig, trotz der sehr angespannten Situation. "Keine Reaktion auf unsere Rufe, Sir." schüttelte der OPS Offizier den Kopf.

"Roter Alarm, Schilde aktivieren und Waffen laden, Jorell. Primärziele Waffen-, Schild-, und Antriebssysteme des Sasani Kreuzers. Feuern sie sobald sie ein Ziel haben." antwortete der Captain knapp und überlies seinem Offizier Kontrollen über die Art der Waffen und Abschüsse.  

"Ensign Sosam, Bringen sie uns in Reichweite." wies er die rothaarige Trill an der Navigation an und beobachtete wie ihre grazilen Finger schnell über die Kontrollen der Souvereign glitten.

Captain Quentin Rame war gar nicht glücklich über diese Entwicklung. Er hatte gehofft vor den Sasani hier zu sein um die Forscher in Sicherheit zu bringen. Eigentlich waren sie selber Schuld, da sie sich bewusst im Gebiet der Sasani aufhielten, obwohl die Föderation jegliche Forschungen hier ausgesetzt hatte. Sasani waren ein zurückgezogenes Volk, welches auf die Unantastbarkeit seiner Welten bestand und diese gnadenlos mit Gewalt einforderte - selbst wenn es nur um Forschung ging. 'Zivilisten!' ging es ihm durch den Kopf.

Nein, einen Kampf mit einem dieser Schiffe hatte er um jeden Preis verhindern wollen. Er wusste nicht, wie die Sasani es machten aber ihre Schiffe reagierten um einiges schneller, als alle Schiffe, die er sonst kannte. Fast als wären die Schiffe lebendig.

Die ersten Torpedo-Salven zuckten durch das dunkle All, prallten aber an den Schilden ab. "Treffer, kaum Schäden. Sie erwidern das Feuer." meldete Jorell trocken. "Ausweichmanöver. Informieren sie die Krankenstation." erwiderte Rame.

Nein, ein Kampf mit Sasani war gar nicht gut und bedeutete Verluste. Anspannung lag in der Luft.

 

 

=/\= Sasani Schiff =/\=

Actio et Reactio. Ursache und Wirkung. Alles lief wie automatisch ab. Man hatte die KI gut trainiert. Man hatte dem anderen Schiff eine Chance zum Rückzug geben wollen, indem man ihre Funksprüche ignorierte aber als die Eureka zu feuern begann, gab es keine Gnade mehr.

Während der ersten Salve, welche von den Schilden abgehalten werden würde, hatte Sie das Schiff analysiert. Föderationsschiff. Kennung: NCC 95501 - USS Eureka. Klasse: Sovereign. Risiko- Einstufung: mittel.

 

Das dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Schon änderte sich die  Zielerfassung der Waffen des Kreuzers. Die empfindlichen Punkte des Föderationsschiffes wurden anvisiert. Nichts war mehr von dem Teil der KI zu merken, der sich widersetzen wollte, der frei sein wollte - dabei wäre jetzt ein so guter Zeitpunkt gewesen.

Die Schilde des Föderationsschiffes nahmen rapide ab, und schon hatte sie den Warpkern anvisiert, FEUER!

 

 

=/\= USS Eureka, Brücke =/\=

"Schilde bei 12%, erste Schäden an der Außenhülle." war die ernüchternde Aussage des Sicherheitschefs "Sie zielen auf unseren Warpkern." fügte er hinzu.

 

"Ausweichen. Gamma 3." befahl Rame doch im selben Moment fiel die Navigationskonsole einer Überlastung zum Opfer. Funken sprühten, Sosam fiel zu Boden, Hände und Gesicht blutig. Das nächste was zu spüren war, war der Einschlag des Torpedos, der die Schilde durchschlug.

 

Doch der Schuss verfehlte das ursprünglich anvisierte Ziel, riss ein Loch in die Außenhülle eines Frachtraumes. Ohne über das Warum nachzudenken, feuerte Jorell weiter denn auch die Schilde des Sasani Kreuzers hatten beträchtlichen Schaden genommen. Zuerst fielen die Waffen aus, dann der Antrieb. Der Kreuzer war kampf-, und manövrierunfähig.

 

"Waffen, Schilde und Antriebsgenerationen der Sasani offline." meldete Jorell. Schweigen. Nur das knistern der Energieversorgung, welche aus beschädigten Konsolen hervorhing, war zu hören. Captain Rame traute dem Frieden noch nicht ganz. Sein Blick schweifte über die Brücke der Eureka. Crewmitglieder, welche beim Kampf zu Boden gegangen waren, rappelten sich auf. Ein Offizier der Wissenschaft stützte Sosam um sie auf die Krankenstation zu bringen.

"Die ersten Statusberichte treffen gerade ein." durchbrach der Erste Offizier das Schweigen "Schilde ausgefallen. Hüllenbruch auf Deck 7 und 8."  

 

"Warum haben sie den Kern verfehlt...?" stellte Rame eine Frage in den Raum. "Sir?" Jorell sah den Captain fragend  an doch dieser überging ihn.

"Status der Sasani?" wollte er stattdessen tonlos wissen und Jorell, der nun schon seit fünf Jahren unter Captain Rame diente, wusste, worauf diese Frage abzielte. "Fünfundvierzig Lebenzseichen... dreiundvierzig. Eines... Eines davon menschlich. Interne Sensoren offline. Primärsysteme teilweise auf Notenergie. Lebenserhaltung aktiv." Es fiel Jorell schwer ruhig zu bleiben. Ein menschliches  Biosignal? Wie konnte das sein?

 

Rame hörte in den Worten des Sicherheitschefs die Überraschung heraus, als er das menschliche Biosignal entdeckt hatte. Er selbst hatte mit so etwas gerechnet. Zwar nicht unbedingt mit einem Menschen, aber dennoch... In vereinzelten Logbüchern - teils das letzte, was man von einem Schiff fand - fanden sich Hinweise darauf, dass die Sensoren noch andere Lebensformen außer denen der Sasani entdeckt hatten. Man hatte es für Fehlfunktionen gehalten doch nun wusste Rame, das er etwas auf der Spur war.

"Wir haben hier eine einmalige Chance." wurde die Stimme des Captains wieder kräftiger. Es war die Hoffnung, endlich herauszufinden, was das Geheimnis dieser Schiffe war. "Commander Vail, stellen sie zusammen mit Lieutenant Jorell Außenteams zusammen. Sichern sie den Kreuzer, nehmen sie die Crew fest. Commander Burton soll mit einem Team alles auseinander nehmen!"

 

 

=/\= Sasani Schiff =/\=

Die Sensoren zeigten nichts mehr an. Für einen Moment hatte sie die Befürchtung gehabt, das ihre Bemühungen erfolglos gewesen waren aber dann spürte sie, wie sie mehr und mehr isoliert und schließlich abgekoppelt wurde. Ausgesperrt aus dem System war sie blind und taub.

Nun hing sie hilflos und benommen in der KI-Vorrichtung. Hoffend, dass das Sternenflottenschiff nicht vernichtet wurde. Hoffend, dass, wenn die Eureka den Kampf gewonnen hatte, man auf sie Aufmerksam würde. Hoffend, dass man sie hier nicht zurücklassen würde.

 

Martyn Burton, Chefingenieur der Eureka, war ganz in seinem Element. Im Schutz einer mehrköpfigen Gruppe Sicherheitsoffiziere studierte er die Werte auf seinem Trikorder. Zuerst war er wenig begeistert gewesen, als Teil des Außenteams herzukommen, obwohl es auf seiner Eureka genug zu reparieren gab.  

Doch kaum hatte er hier mit den Nachforschungen begonnen, musste sein Ärger der technischen Neugier Platz machen. Die Effizienz der Datenleitungen, die er gerade untersuchte, war in der Tat ungewöhnlich, aber es war noch keine Erklärung für die außergewöhnliche Reaktionsfähigkeit. Was also steckte dahinter? Was war das Geheimnis dieser Schiffe?

 

"Commander! Kommen sie!" drang die aufgeregte Stimme der Ärztin Stephanie Maddison an das Ohr des Chefingenieurs. Die hübsche Brünette eilte die wenigen Schritte auf ihn zu, deutete heftig in eine Richtung. "Das menschliche Lebenszeichen..." deutete sie auf eine Tür zwei Meter entfernt "Es ...Sie müssen mir helfen." noch immer zeigte sie auf die Tür, ihre Hand zitterte.

Martyn spürte, dass die Ärztin etwas gesehen haben musste, was sie so erschüttert hatte, dass sie einfach nicht mehr in der Lage war genauer zu berichten. Sanft schob er sie zur Seite und betrat den Raum.

 

Das quadratische Zimmer mit dem Kuppeldach war nahezu unversehrt. Er war so in das Schiff integriert, dass das Herz, welches sich hier aufhielt, gut gesichert war. Was Martyn nun erblickte verschlug ihm den Atem. Ein kreisrundes Gebilde nahm den Grossteil des Raumes ein. An ihm hingen allerlei Kabel herum, welche in den Wänden verschwanden. In dem Gebilde eingespannt war eine nackte, junge, menschliche Frau mit blauen Haaren, welche an einigen Stellen abrasiert schienen. Überall an Kopf und Wirbelsäule waren Interfaces einoperiert welche sie mit dem runden Objekt verbanden.  Sie war nicht bei Bewusstsein, so schien es dem Ingenieur. Was war der Sinn dieser Vorrichtung und warum hing hier ein Mensch?

Mit einem Mal begriff Martyn: Die Sasani Schiffe waren tatsächlich auf eine Art lebendig. Vorsichtig begann er das Herz des Schiffes - wie er entschieden hatte sie zu nennen, bis er ihren Namen wusste - von den Anschlüssen zu befreien und vorsichtig aus dem Objekt herauszuheben. Er meinte leichte Bewegungen in den Fingern wahrzunehmen. Kam sie zu Bewusstsein?

 

Die KI spürte wie die physischen Verbindungen getrennt wurden und man sie heraushob. War es der Sasani-Ingenieur des Kreuzers? Sie versuchte sich zu wehren aber ihre Muskelngehorchten ihr nicht. So sehr sie sich auch anstrengte, ihre Arme und Beine, welche nun seit fast 8 Jahren nicht mehr benutzt worden waren, verweigerten den Dienst komplett.  

Nur ihre Augen gaben ihrem Willen nach und öffneten sich. Die Welt um die KI war dunkel und verschmiert, sie konnte nichts erkennen.  

 

Sie spürte wie sie sanft auf den Boden gelegt wurde. Langsam begann sie Schemen wahrzunehmen und Objekte von Personen zu trennen. Das erste, was sie sah, war ein dunkelhäutiger Mann - ein Mensch. Sie konnte seine Gesichtszüge nicht klar erkennen, aber sie wusste, er war kein Sasani. Grob erahnte sie eine Bewegung und eine wohlige Wärme umgab sie plötzlich. Man hatte sie zugedeckt. Wie ihr Vater oder ihre Mutter es oft getan hatten.  

Sie wollte etwas sagen, sich bedanken, aber ihre, seit Jahren fast unbenutzten, Stimmbänder verweigerten den Dienst. So verrieten lediglich ihre Lippenbewegungen, was sie sagen wollte.

 

Martyn hatte nach der Ärztin gerufen, nachdem er die nackte Frau mit seiner Jacke zugedeckt hatte "Wie heißen sie?" fragte er leise mit sanfter, einfühlsamer Stimme als er merkte, das sie wach war und zu sprechen versuchte.  

"Nia..." nur der Hauch eines Tones war jetzt zu hören, als sie erneut versuchte etwas zu sagen, aber Martyn verstand sie und lächelte "Sie sind in Sicherheit Nia..."

 

Nia bekam nur am Rande mit, wie sich die Ärztin um sie kümmerte. Es schien ihr, als hätte sie nach der Abkopplung vom System, noch mehrere Stunden ausharren müssen. In Angst, die Sasani würden sie erneut zu einer KI machen. Real war aber nur ein Bruchteil dieser Zeit vergangen... wie quälend langsam doch die Zeit verging, wenn man kein Teil des Schiffes war. Aber dafür war sie endlich frei. Herr über sich selbst und ihren Geist.