Drehkörpererfahrungen

von Tobias Diekershoff

Eingesandt zum Story Contest der StarTrek Association 2006

T - 3a 95d 7h 8min

„Lieutenant Anderson, kommen Sie bitte auf die Intensivstation,“ schallte es plötzlich durch die Cafeteria der Station und von da an immer wieder durch ihre Ohren, während sie die Gänge entlang lief. Gänge die immer länger zu werden schienen, deren Beleuchtung immer heller und heller wurde.

Begleitet vom lauten Pochen ihres Blutes im Ohr bog sie scharf um die letzte Ecke und rannte dabei beinahe einige Ärzte um.

„Lieutenant Anderson bitte, ... Ihr Vater ... er ist tot.“

Der Arzt brauchte nicht mehr zu sagen. Seit dem Tag, an dem sie mit ihrem Vater auf die Station gekommen war, war ihr klar gewesen, dass sie alleine wieder abreisen würde. Aber sie hatte immer gedacht das sie noch mehr Zeit hatten. Mehr Zeit um sich zu verabschieden. Und das sie bei ihm währe, nicht gerade beim Essen in der Cafeteria.

Jetzt war der Admiral tot.

T - 9d 9h 22min

„Commander Anderson, kommen Sie bitte auf die Brücke,“ die Stimme des Wissenschaftschefs der USS Belvedere klang aufgeregt, während sie selbst eher genervt war.

Charles DuPont hatte sie in den letzten drei Wochen in denen sie in diesem System waren, wegen jeder kleinen Tonscherbe die sein Team in den Ruinen gefunden hatte gerufen.

„Ich bin auf dem Weg,“ antwortete sie knapp und machte sich dann gemächlich auf den Weg Richtung Turbolift. Sie hatte Wichtigeres zu tun als sich schon wieder eine Tonscherbe an zu sehen. Aber DuPont konnte sich fest beißen wie eine Zecke, wenn er nicht bekam was er wollte.

Deshalb hatte sie ihn an Bord geholt.

T - 9d 9h 15min

„Was ist es denn diesmal?“, fragte sie und machte keinen Versuch ihre Laune zu verbergen. DuPont sollte sehen, dass seine ständigen Rufe ihr langsam aber sicher zu viel wurden.

Der Afro-Amerikaner stand an der hinteren Konsole und machte sich fleißig Notizen auf seinem PADD.

„Commander?!“, er klang so, als würde sie ihn stören. Dann heiterte sein Gesicht auf. „Diesmal haben wir etwas wirklich großes gefunden!,“ berichtete er nun überschwänglich. Überschwänglicher als sonst!

„Sehen Sie hier.“ Sie sah und verstand seine Aufregung. Auf dem Display, breitete sich der Plan von etlichen unterirdischen Rühren und Kanälen aus. Direkt unter den Ruinen schien es ein weiteres, verzweigteres und um einiges größeres System an Verbindungstunneln zu geben.

Ohne Zweifel ein Erfolg, denn bis jetzt hatte der Planet sich geweigert seine Geheimnisse den Sensoren des Schiffes preis zu geben. Wo immer sie angefangen hatten zu graben, hatte der Planet ihnen Steine, Erdrutsche und Erdbeben zwischen die Beine geworfen.

T - 9d 7h 32min

Das Team saß im Besprechungsraum beisammen. Geologen, Archäologen und all die anderen Experten, die die Belvedere zu bieten hatte. Es war ein großes Schiff und der Besprechungsraum war voll.

Mittendrin lief DuPont auf und ab. Er hatte seinen Plan zur Erkundung der Tunnel vorgestellt und anschließend die Fragen seiner Kollegen beantwortet.

Einzig Anderson war noch nicht ganz überzeugt von diesem Plan. Die anderen Anwesenden waren hin und weg. Zu denken gab ihr, dass der Planet noch immer mit ihnen spielte. Er hatte ihnen zwar erlaubt die Gänge zu erfassen, nicht aber deren Inhalt. Sie wussten nur das es Tunnel gab; nicht was sie erwartete.

Schließlich aber nickte sie. „Also gut DuPont. Gehen Sie runter, aber seien Sie vorsichtig!“

T -8d 19h 3min

„DuPont an Brücke,“ die Verbindung war beschissen. Atmosphärische Störungen führten zu einem konstanten Rauschen und Knacken.

„Anderson hier, sprechen Sie!“

„Wir sind nach Plan vorgegangen, haben aber nichts Interessantes gefunden...“

Warum meldete er sich dann? zweifelte Anderson an den Worten des Wissenschaftlers. Noch nie hatte DuPont so schnell klein bei gegeben und einen Misserfolg eingeräumt.

„... bis wir hier auf ein Kraftfeld gestoßen sind.“

Jetzt wurde Anderson hellhörig. Ein Kraftfeld? Sie hatten keinerlei Anzeichen für eine solche Technologie entdeckt, geschweige denn von einer Energiequelle um ein Kraftfeld zu speisen.

„Was für ein Kraftfeld Commander?“

„Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich melde mich wieder sobald wir mehr wissen. DuPont ende.“

T - 6d 12h 36min

Anderson stand neben DuPont in einem schmutzigen, von den Lampen hell ausgeleuchteten Gang und betrachtete das Kraftfeld. „Das ist es also?“

DuPont nickte und meinte dann: „Wir haben die Energiequelle immer noch nicht finden können Commander; darum haben wir uns einen Weg überlegt, wie wir das Kraftfeld zum Kollabieren bringen.“ Er deutete auf einen kleinen Generator, der von einigen Technikern aufgebaut wurde. „Mit diesem Generator werden wir hoch energetische Partikel auf das Feld schießen, deren Aufschlagrate wir solange modulieren werden, bis wir die Resonanz des Kraftfelds gefunden haben. Dann heißt es Warten auf den Kollaps.“

„Die Resonanzkatastrophe?“, sie war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war ein System von dem sie keine Ahnung hatten wie es funktionierte auf einem solchen Weg zum Kollaps zu bringen.

„Ja. Aber die Katastrophe wird nur das Kraftfeld betreffen. Unsere Analyse hat ergeben, dass die Systeme des Kraftfelds unabhängig von anderen Systemen in den Gängen sind.“

Sie hatte seine Pläne gelesen, bevor sie her gekommen war. Sie hatte auch seine Berichte über die bis jetzt gescheiterten Versuche gelesen. „Also gut. Aber sobald Sie Anzeichen sehen, dass es schief geht brechen Sie ab!“

T - 2d 2h 27min

DuPont starrte ungläubig auf das Kraftfeld. Seit Tagen war der Generator in Betrieb. Inzwischen hatten sie einen großen Teil des möglichen Spektrums abgedeckt, aber das Feld reagierte nicht.

„Erhöhen Sie die Energie um weitere 5% Ensign,“ wies er seinen Mitarbeiter an und beobachtete mit Unbehagen die Energieanzeigen des Generators. Der Output war beim Maximum angelangt. Bei solch hohen Energien konnte man nie genau vorhersehen, was passieren würde wenn etwas schief ging.

T - 2d 2h 22min

Seit fünf Minuten starrte DuPont nun auf den Tricorder. Nichts. Trotz des anhaltenden Beschusses des Kraftfelds mit hochenergetischen Teilchen zeigte die Barriere keine Reaktion. Jemand hatte sich sehr viel Mühe gemacht den Durchgang versperrt zu halten.

DuPont stellte dachte im Moment eher daran, wie man diese immense Energiequelle vor den Sensoren des Schiffes verstecken konnte, als an das was sich wohl hinter dem Kraftfeld verbergen würde, als der Tricorder plötzlich ein akustisches Signal von sich gab.

Kurz darauf flackerte das Feld kurz auf und brach dann zusammen. Nur um einer gigantischen Staubwolke den Weg ins Tunnelsystem freizugeben. Instinktiv presste sich DuPont den Ärmel der Uniform vor Mund und Nase und kniff die Augen zusammen.

„Belvedere - Notfalltransport!“, keuchte er, als sich der Staub nach einigen Sekunden immer noch nicht lichtete. Stattdessen schien er immer schwärzer zu werden.

T - 1d 22h 14min

Eine gute Stunde saßen sie nun bereits untätig auf der Brücke und warteten. Darauf das etwas passierte - oder darauf, dass sich der Staub endlich legte. „Sir, die Sensoren vor Ort melden, dass sich der Staub gelegt hat und die Schadstoffkonzentration wieder im normalen Bereich ist.“

DuPont blickte überrascht zu Hatch, einem seiner Mitarbeiter, der gerade am Sensorschirm hing. Die ersten Prognosen des Computer hatten von einer doppelt so langen Wartezeit gesprochen.

„DuPont an Brücke, wir können weiter machen ... werden aber zur Sicherheit die Atemmasken mitnehmen.“

Einen Moment lang herrschte Stille im Labor, bis die Stimme des Commanders ertönte. „In Ordnung. Aber passen Sie auf! Und melden Sie sich spätestens alle 30 Minuten.“ Nach dieser Antwort reichte ein kurzes Nicken zu Hatch hinüber und kurz darauf marschierte das Team der Wissenschaftler um DuPont zu Transporterraum.

T - 1d 1h 52min

DuPont hatte sich wie abgesprochen alle 30 Minuten gemeldet. Er und sein Team waren hinter dem Kraftfeld nur langsam voran gekommen. Schon bald waren sie in die Ruinen alter Gebäude geraten, so dass sie viele Felsbrocken beiseite räumen mussten um weiter vorzudringen.

Anderson saß in ihrem Sessel auf der Brücke und starrte auf den Wandschirm. Ihre Blicke verirrten sich im Sternenhimmel neben dem Planeten unter ihnen. DuPont war überfällig,  

Sie war kurz davor das Außenteam zu rufen, als die COMM ansprang und DuPonts aufgeregte Stimme ertönte. „Commander! Wir haben hier etwas außergewöhnliches gefunden. Eine Art Schrein. So weit ich das erkennen kann handelt es sich bei den Schriftzeichen um altes Bajoranisch.“

Ein bajoranischer Schrein? Hier?

Anderson zweifelte stark an der Geschichte, die DuPont ihr gerade auftischte, aber warum sollte er sich so etwas ausdenken?

„Ich weiß genau, was Sie jetzt denken Commander,“ sprach DuPont weiter und es schien tatsächlich so, als hätte er von der Planetenoberfläche aus ihre Gedanken gelesen. „Aber es wird noch besser! Wir haben hier im Schrein einen kleinen Kasten gefunden. Er wurde noch nicht geöffnet, aber von seinen Ausmaßen würde ich sagen, dass es sich um einen Drehkörper handelt.“

Wie zu einer Salzsäule erstarrt stand Anderson auf der Brücke. Ein Drehkörper?

„Die Schriftzeichen sprechen von einem Geschenk der Propheten. Und ich muss zugeben, dass den Kasten eine seltsame Aura umgibt. Die Tricorder sagen immer noch nichts. Was auch immer die Sensoren stört, tut es immer noch.“

„Ich schlage vor, dass Sie die Fundstätte so gut es geht kartographieren und dann mit dem Kasten auf die Belvedere zurück kehren. Im Labor haben sie bessere Chancen das Ding zu analysieren.“

Kurze Zeit Stille, dann die Antwort. „Einverstanden Commander. Rodriguez und Jinak werden hier bleiben und weitere Nachforschungen anstellen. Der Rest des Teams wird mit mir zum Schiff beamen.“

T - 1d 1h 20min

„Und Sie sind sich absolut sicher, dass wir es hier mit einem Drehkörper zu tun haben?“ Gerade traten Anderson und DuPont ins Hauptlabor. Anderson brauchte nicht lange um das Objekt zu lokalisieren. DuPonts Leute hatten es zentral auf einen Untersuchungstisch gestellt.

„Es sieht ganz danach aus Commander. Der Computer konnte einen Teil der Schriftzeichen übersetzen,“ DuPont trat neben den Kasten und deutete auf eine Reihe von Symbolen. „Es handelt sich um eine Passage aus den Prophezeiungen des Abgesandten.“

DuPont blickte sich wieder zu Anderson um und blickte in ein fassungsloses Gesicht. „Zumindest meint der Computer das. Ich war nur einmal kurz auf DS9 und hatte keine Zeit Bajor zu besuchen. So weit ich weiß haben wir keinen Bajoraner an Bord und eine Nachricht von hier nach DS9 würde einen Tag brauchen.“

„Schon gut, schon gut,“ meinte Anderson nur und hob die Hände um anzudeuten, dass sie sich geschlagen gab. „Aber eine Nachricht an DS9 sollten wir trotzdem in Betracht ziehen.“

Nun stand auch sie vor dem Kasten und betrachtete die Symbole. Noch nie zuvor hatte sie ein Artefakt der frühen bajoranischen Kultur vor sich gehabt. Es war faszinierend. „Was sagen die Sensoren? Oder gibt es immer noch Probleme mit dem scannen?“

„Nein, alles bestens! Was auch immer auf dem Planeten dafür gesorgt hat, dass wir nicht ins Innere des Schreins blicken konnten, hat hier oben keine Auswirkungen.“ An und für sich wollte DuPont noch etwas weiter dozieren, als er mitbekam, das Anderson begonnen hatte die Schriftzeichen auf der Oberfläche des Schreins mit den Fingern nachzufahren.

„Commander?“

Er erhielt keine Antwort. Es schien fasst so, als ob Commander Anderson ihn nicht hörte.

„Commander!“

Sie ignorierte ihn weiterhin. Schlimmer noch. Mit einem mal ergriff sie mit beiden Händen die Türen des Schreins und öffnete ihn. DuPonts erster Reflex war es zum Commander zu eilen und sie aus dem Einflussbereich des Drehkörpers zu holen. Es war das erste mal, dass er Zeuge einer Drehkörpererfahrung wurde. Er hatte einmal einen Artikel von Dr. Bashir gelesen, in dem der Arzt über die Folgen einer solchen Erfahrung berichtete.

Aber nirgends hatte er einen Hinweis darauf gefunden, ob man Leute aus einer Drehkörpererfahrung befreien konnte.

T - 0d 23h 17min

„Wie sieht es aus Doktor?“, DuPont war nervös. Er hatte geglaubt eine Drehkörpererfahrung sei eine Art Halluzination, die nur wenige Sekunden dauern würde. Aber Commander Anderson war schon seit mehr als zwei Stunden im Bann dieses strahlenden Objekts.

Die vulkanische Chefärztin des Schiffs sah, fast schon gelangweilt von seinen ständigen Nachfragen, zu DuPont hinüber. „So weit ich das beurteilen kann, geht es Commander Anderson gut. Alle Vitalzeichen befinden sich in den für einen Menschen normalen Bereichen. Einzig der Kortex zeigt eine erhöhte Aktivität, aber auch das ist denke ich absolut normal in einer solchen Situation.“

„Diese Situation dauert nun allerdings schon Stunden an.“

„Ich weiß, aber das ist Ihr Problem, nicht meins. Ich bin nur für die Gesundheit der Crew verantwortlich. Und was die Gesundheit von Commander Anderson angeht, würde ich ihr sofort ihre Diensttauglichkeit bescheinigen.“

Nun widmete sich die Ärztin wieder ihrer Patientin. Notierte sich schließlich einige Dinge auf ihrem PADD und verließ dann das Labor. „Rufen Sie mich, wenn sich etwas ändern sollte; ansonsten komme ich in einer Stunde noch einmal vorbei.“

DuPont hingegen widmete sich wieder dem Commander und dem Drehkörper. Auf dem Monitor vor sich liefen Unmengen von Datensätzen zusammen. Umweltbedingungen, Vitaldaten, Energieprofil des Drehkörpers. Wovon auch immer er der Meinung war, dass es ihm bei diesem Problem helfen könnte.

Kolonnen von Zahlen.

T

Die Möwen zogen laut kreischend über die Felsen. Eine Runde nach der anderen führten sie über das kleine Haus an der Klippe. Unten kräuselte sich die Gischt in der Brandung. Hier und da sah man einen kleinen Fisch.

Am Horizont ging gerade die Sonne unter.

„Es ist Zeit meine Kleine,“ die warme Stimme des alten Mannes durchdrang die Stille, die sich in den vergangenen Minuten trotz der Möwen gebildet hatte. Es war fast so, als ob die Welt den Atem anhielt. Den Atem anhielt und auf einen wichtigen Augenblick wartete.

Trauer spiegelt sich in den Augen des kleinen Mädchens wieder. „Ich möchte nicht das du gehst.“

„Vertrau mir Jes. Es ist Zeit loszulassen. Du brauchst dich nicht weiter hinter meinem Schatten zu verstecken. Es ist jetzt an der Zeit das du auf deinen eigenen Beinen stehst.“

Sie nickte nur.

Dann verschwanden die Möwen und die Brandung. Das kleine Häuschen und die Klippen wurden von einem hellen weißen Licht umgeben. Ihr kam es so vor als ob sie Stimmen hörte. Stimmen die unzusammenhängende Sätze murmelten.

„Ich weiß.“

Ein letztes Mal umarmte Commander Anderson ihren Vater. Der Admiral lächelte. Beide trugen nun ihre Uniformen. Das warme weiß der Galauniform in krassen Kontrast mit dem grellen weiß um sie herum.

T + 0d 0h 0m 0.1sec

Verwirrt blickte Anderson in das gleißende Licht des Drehkörpers. Nur langsam erinnerte sie sich wieder. Realisierte, dass sie sich wieder auf dem Schiff befand.

Fast wie in Zeitlupe schloss sie die Türen des Kastens.

„Commander, wie geht es Ihnen?“ Eine bekannte Stimme aber wem gehörte sie? Richtig. „Danke Mr. DuPont, mir geht es gut. Mir geht es wirklich gut!“


Diese Geschichte wurde zum Story Contest der StarTrek: Association eingesandt. Das Copyright dieser Geschichte verbleibt beim Autor der Geschichte (wird am Ende der Voting-Phase, 27.Oktober 2006, bekannt gegeben).