Priemzahlen

von Tobias Diekershoff

Eingesandt zum Story Contest der StarTrek Association 2005

Tief graue Rauchschwaden trieben die Gänge der Florence hinab und brachten den beißenden Geruch verbrannter Plastik zu Hobkins Nase. Unwillkürlich musste er husten. Schnell hob er seinen Arm vor sein Gesicht und versuchte so die fehlenden Filterfunktionen der menschlichen Nase zu ersetzen. Es gelang ihm nur unzureichend, was ihn wiederum dazu brachte sich aufzurappeln und weiter zu laufen. Ursprünglich hatte er  auf die Brücke gewollt, aber die massive Rauchwand vor ihm zwang ihn sich ein anderes Ziel zu suchen.

Auf der Brücke war nichts mehr zu erreichen, das musste er jetzt einsehen. Den Arm vor die Nase haltend machte er kehrt und ging mit einem großen Klos im Hals zurück in den Maschinenraum. Nur fünf Decks entfehrnt lag das neue Kommandozentrum das sie vor zwei Tagen eingerichtet hatten. Von dort aus versuchten sie die Kontrolle über das Schiff zurück zu gewinnen.

Fünf Decks und das einzige einzige was für Licht in den Gängen des Schiffs sorgte war das aufleuchten des roten Alarms. Konnte man ihn nicht einfach deaktivieren? Es wusste doch ohnehin jeder, dass etwas passiert war.

Und es hatte ganz harmlos angefangen. Obwohl harmlos etwas untertrieben war.

Vor einigen Tagen hatte die Florence ein Energieband geortet. Nicht so ein gewaltiges, wie das, das später als der Nexus bekannt werden würde, aber es hatte ausgereicht um den Subraum zu stören und die Florence an der Flucht gehindert.

Captain Hallyfax blieb nicht anderes übrig als das Schiff in die Welle zu drehen und so gut es ging auf der Energie zu surfen. Das funktionierte auch einigermaßen. Die strukturelle Integrität litt etwas, hielt aber. Vor allem zeigte Hobkins Daten an der wissenschaftlichen Station nichts was darauf hindeutet, dass die Integrität vor dem verlassen der Welle zusammenbrechen würde.

Sie tat es auch nicht. Im Gegenteil, als die Florence den größten Teil der Welle hinter sich gelassen hatte, standen die Anzeigen der strukturellen Integrität auf 65%.

Dann aber zeigten seine Anzeigen etwas neues an. In den Energieanzeigen, die die Sensoren über das Band sammelten gab es eine kontinuierliche Veränderung. Eine Schwankung, die nicht natürlichen Ursprungs sein konnte. Zunächst war sie zu regelmäßig. Hobkins konnte die Frequenz auf wenige Nanohertz genau bestimmen.

Dann begannen die Modulationen.

Zunächst wiederholten sich die ersten fünf Primzahlen. Ähnlich dem Morsecode empfing er kurz aufeinander folgende Peaks in der Energiemodulation, dann eine längere Pause und wieder die Peaks. Gerade als er seine Entdeckung dem Captain gemeldet hatte wurde die nächste Folge der Primzahlen begonnen. Dieses mal liefen sie bis 100.

Und dann wurden die Muster komplexer.

Sie waren derart komplex, dass er einige Megaquad an Daten sammeln musste, bevor er mit Hilfe des Computers in der Lage war einen Sinn in den Daten zu finden. Wer auch immer sendete übermittelte gerade das Periodensystem der Elemente. Zunächst isolierte er Angaben zu den Elemenatarbausteinen: Quarks, Neutrinos, Elektronen, Neutronen; dann ein Kochrezept mit dessen Hilfe man die bekannten und einige unbekannten Elemente zusammensetzen konnte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Florence die Welle verlassen und lag nun bewegungslos im All, während sich die Welle schnell entfernte. Mit einer Geschwindigkeit, mit der sie innerhalb weniger Minuten die Sensorenreichweite des Schiffes verlassen hätte. Die strukturelle Integrität war auf knapp 50% gesunken, aber alle wichtigen Systeme liefen.

Hobkins brauchte Hallyfax nicht überzeugen der Welle hinterher zu eilen. Hallyfax war selbst Wissenschaftler gewesen bevor er den vierten Streifen am Hemdärmel bekommen hatte. Und in diesem Moment kehrte der Forscherdrang stärker als je zuvor zurück. Sobald er sich vergewissert hatte, dass die Florence ohne größere Gefahr die Welle verfolgen konnte, ließ er Kurs setzen.

Sie konnten der Welle eine Woche lang folgen, dann gab der Antrieb des Schiffs auf und setzte der Sammlung der Daten ein Ende. Tief in unerforschtem Raum des Beta-Quadranten lag die Florence regungslos im All, aber kaum jemanden abgesehen von den Ingenieuren, die sich um die Reparatur des Antriebs kümmern mussten störte sich daran. Die Gewissheit etwas großes, etwas wichtiges gefunden zu haben hielt die Moral der Crew oben und spornte jeden am die gesammelten Daten zu untersuchen um den Inhalt zu entschlüsseln.

Die Crew hatte so viel Zeit wie sie brauchte. Weitab von den Hoheitsgebieten der Klingonen und Romulanern waren keine feindlichen Spezies in Sicht.

Die Probleme begannen, als man die erste Passage der Daten entschlüsselt hatte. Es war eine Anleitung, wie man die restlichen Daten entpacken konnte.

Anscheinend hatte, wer auch immer es war, eine enorme Datenmenge in dem Datenstrom gepackt. Wie viel genau stand nirgendwo. Nach einigen heftigen Diskussionen entschloss sich der Captain, ihm grünes Licht für die weitere Entschlüsselung und Dekomprimierung der Daten zu geben. Er sollte so vorsichtig wie es nur irgend möglich war kleine Datenpakete extrahieren. Vorher das Computersystem des Labors von dem der Florence trennen und so viele Test wegen gefährlicher Daten machen wie ihm nur einfielen.

Das war der Plan gewesen. Aber als er versuchte ihn in die Realität umzusetzen, scheiterte er kläglich.

Das elfte Datensegment enthielt einen Selbstextrahierungs-Algorithmus von dem in der Anleitung nichts gestanden hatte. Ein Quad Daten nach dem anderen wurde entpackt. Ehe er reagieren konnte war der Speicher des Labors gefüllt. Aber anstatt an dieser Stelle abzubrechen wurde ein Programm gestartet, das eine schiffsinterne Kommverbindung öffnete und über diese ein kleines Programm übertrug das sich in den Computerkern des Schiffs einnistete und dann die Verbindung zwischen Schiffscomputer und Laborsystem wieder herstellte.

Und dann nahm das Unglück seinen Lauf.

Die integrierten Sicherheitsmaßnahmen der duotronischen Prozessoren des Schiffs waren genauso wirkungslos wie seine Versuche dem Virus Herr zu werden. Binnen kürzester Zeit verbrauchte er die zur Verfügung stehenden Prozessorleistung und legte so die Systeme des Schiffes lahm.

Während der Virus weiter im Hintergrund arbeitete, versuchte nun die ganze Crew etwas zu finden um ihn aufzuhalten. Aber dieses Ding war intelligent. Erkannte die meisten Versuche und wusste sie zu umgehen; oder verhinderte ihre Durchführung. So war das Feuer auf der Brücke entstanden, als das Virus die EPS-Leitungen überlastete.

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Als er die Tür zum Maschinenraum durchschritt und nach dem Status fragte, war es der stellvertretende Chefingenieur, der ihm antwortete: „Wir konnten ihn einige Zeit bremsen, aber so wie es aussieht versucht er gerade die Kommunikationssysteme zu reaktivieren. Bis jetzt konnten wir ihn daran hindern.“

Die Kommunikation war mit das erste System, das ausgefallen war. Im Rückblick betrachtet ein kluger Schachzug des Virus, denn so konnten sie keinen Notruf absetzen.

„Wahrscheinlich ist ihm die Florence zu klein geworden,“ mutmaßte Hobkins, „jetzt da es weiß wie es mit einem Schiff der Sternenflotte umgehen muss wird es sich wie ein Lauffeuer in der Flotte verbreiten. Haben wir eine Chance es aufzuhalten?“

„Nicht lange. Er weiß inzwischen zu viel über unser Vorgehen und die Zugänge zum Kommunikationssystem sind alle verriegelt.“ Eine trockene Feststellung die seine nicht ausgesprochene Mutmaßung, dass dem nicht der Fall war, bekräftigte.

„Das heißt wir müssen die Florence aufgeben und zerstören um ihn daran zu hindern sich auf die Flotte zu verbreiten.“

„Sir wir wissen immer noch nicht was mit dem Captain und dem Rest der Brückencrew ist.“

Er nickte. Als das Feuer auf der Brücke ausgebrochen war, war er gerade auf dem Weg zum Computerkern gewesen, seitdem bestand kein Kontakt mehr zu den restlichen Führungsoffizieren.

„Nach dem Qualm zu urteilen, der mich auf dem Weg zur Brücke ins Land der Träume geschickt hat, schätze ich die Chancen dafür das sie noch leben äußerst gering ein.“

Stille.

„Wir haben wie besprochen die Kommunikationssysteme aus den Fluchtkapseln ausgebaut und die Computerschnittstellen von Schiff gelöst,“ durchbrach Emely Hernandes, die Systemanalytikerin des Schiffes die bedrückende Sprachlosigkeit. „So weit wir das beurteilen können hatte sich der Virus nur in eine Kapsel verirrt und dort festgestellt, dass er sie nicht gebrauchen kann. Die vorgesehenen Kapseln sind alle überprüft und weisen keine Spur eines Befalls auf.“

„Funktioniert die Selbstzerstörung noch?“

„Den Anzeigen nach ja - aber ich vermute dass er sie stoppen kann.“

Vermutlich, ja und diese Unsicherheit konnten sie nicht eingehen.

„Bereiten Sie die Torpedos vor, sie sollen in zehn Minuten detonieren.“ Hernandes nickte kurz, gab an ihre Teamleiter einige knappe Befehle und dann verschwand ein Großteil der Personen aus dem Maschinenraum. Sie hatten an den Schlüsselpositionen des Schiffs modifizierte Photonentorpedos verteilt und so umkonfiguriert, dass sie mit einem Zeitschalter zur Detonation gebracht werden konnten.

„Sie beide verfrachten die Notrufbarke in ihre Fluchtkapsel,“ meinte Hobkins zu zwei der noch anwesenden Technikern, „und der Rest von uns unternimmt weiter alles um den Virus davon zu überzeugen, dass wir immer noch versuchen ihn zu eliminieren.“

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Zehn Minuten später saß er mit Hernandes, Hildebrand - einem jungen Spund aus der Wissenschaft und Geoffry - einem der Techniker zusammen in einer Rettungskapsel. Es war ungemütlich, eng die Umweltsysteme hatten bereits Mühe die Luft frisch zu halten. Der Geruch ihres Schweißes hatte sich augenblicklich in der kleinen Kapsel breit gemacht. Eine Schalldusche hatte seit Tagen keiner von ihnen mehr gesehen.

Draußen vor dem kleinen Fenster sah man die USS Florence liegen. Das Schiff der Soyuz-Klasse lag ruhig da. Währen da nicht die Fluchtkapseln gewesen, die sich langsam von ihr entfernten, Nichts hätte darauf hingewiesen, dass etwas nicht stimmte.

„Es müsste gleich so weit sein,“ meinte Hernandes. Geoffry und Hildebrand schienen darauf nicht zu reagieren.

„Sind alle weggekommen?“

„Anscheinend ja.“ Hernandes verrenkte sich etwas am Fenster um sich besser umsehen zu können. „Wir scheinen rechtzeitig vom Schiff gekommen zu sein.“

Einen Augenblick später detonierte der erste Torpedo an der steuerbord Seite des Untertassenmoduls. Es musste der Torpedo an der Krankenstation gewesen sein. Er war einer der ersten gewesen, die sie aktiviert hatten. Dann ein zweiter und ein dritter.

Glücklicherweise hatten sie den Reaktor und die Antimaterie abgeworfen, ansonsten währe die Explosion verheerender gewesen und hätte die Fluchkapseln erfasst. So aber wurden die Kapseln nur heftig durchgeschüttelt.

„Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt und sah sich um.

„Ja alles bestens,“ antwortete Geoffry rasch. „Bei mir auch,“ fuhr Hernandes fort, „aber Hildebrand braucht einen Hautregenerator.“

Noch bevor er sich die Wunde seines Mitarbeiters angesehen hatte griff Hobkins unter seinen Sitz und zog das Medkit hervor. „Hier bitte,“ meinte er zu Hernandes als er ihr den Regenerator reichte und musterte die Wunde. Glücklicherweise nichts ernstes. Nur eine Platzwunde am Hinterkopf, die leicht zu behandeln war.

„Die anderen?“

Diesmal verrenkte sich Geoffry. „Anscheinend haben es alle gut überstanden.“

Na wenigstens etwas. Dann hieß es jetzt nur noch warten hoffen. Darauf das jemand das Signal der Barke empfing und sie einsammelte. Hoffentlich bevor sich der Vorrat an Notrationen und Energie zum Ende neigte. Und darauf das der Virus es nicht doch geschafft hatte das Schiff zu verlassen.


Diese Geschichte wurde zum Story Contest der StarTrek: Association eingesandt. Das Copyright dieser Geschichte verbleibt beim Autor der Geschichte (wird am Ende der Voting-Phase, 27.Oktober 2005, bekannt gegeben).