Die Borg-Begegnung

von Jan Rotermund

Eingesandt zum Story Contest der StarTrek Association 2005

COMPUTERLOGBUCH DER VOYAGER, CAPTAIN RIKER. STERNZEIT 57216,8.

Unser Aufenthalt auf Deep Space Nine neigt sich dem Ende entgegen. Wir haben sowohl Proviant, als auch technische Ersatzteile und was wir sonst noch so für die kommende Mission benötigen an Bord genommen und die letzten Besatzungsmitglieder und Zivilisten haben die Raumstation verlassen und sich auf das Schiff begeben. Insgesamt befinden sich nun einhundertsechzig Personen an Bord. Sobald die Startvorbereitungen beendet sind, werden wir uns in das bajoranische Wurmloch begeben und in den Gamma-Quadranten fliegen. Die Voyager wird zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren ihre erste richtige Erforschungsmission absolvieren. Diesmal wird es jedoch eine Deep Space Mission mit Wiederkehr sein.

 

  William Riker speicherte den Logbucheintrag in der Datenbank der USS Voyager und deaktivierte das Terminal, das vor ihm auf dem Schreibtisch stand. Dann erhob er sich aus dem bequemen Roll-sessel, zog an seiner Uniformjacke und orderte am Replikator eine heiße Tasse Kaffee. Er nahm sie gerade aus dem Ausgabefach, als der Türsummer ertönte. „Kommen Sie rein“, sagte er und sofort öffnete sich die Tür und Worf, sein Erster Offizier, kam herein. „Worf. Was kann ich für Sie tun?“

  „Hier ist der aktuelle technische Bericht aus dem Maschinenraum.“ Der Klingone hielt ihm ein Padd hin, das der Kommandant entgegen nahm und einen kurzen Blick darauf warf.  

  „Sieht gut aus“, kommentierte er und sah den Commander wieder an. „Wann sind wir startbereit?“

  „Es sollte jede Minute soweit sein“, erwiderte Worf. „In…“

  „Brücke an Bereitschaftsraum“, meldete sich Lieutenant Harry Kim über das Kom-System. „Die Startvorbereitungen sind abgeschlossen. Wir sind bereit aufzubrechen.“

  Riker klopfte auf seinen Kommunikator. „Verstanden, Lieutenant. Captain Ende.“

  Mit diesen Worten unterbrach er die Verbindung wieder und nahm einen Schluck von dem Kaffee, den er in der Hand hielt. Dann stellte er die Tasse auf dem kleinen Couchtisch ab und ging zur Tür, die vor ihm auf glitt. Er vergewisserte sich, das Worf ihm folgte, bevor er die Brücke betrat. Sofort schritt er zum Kommandosessel, blieb dort stehen und sah sich um. Alle befanden sich auf ihren Posten. Lieutenant Commander Tuvok, sein taktische Offizier und Sicherheitschef, der Pilot Tom Paris’, Lieutenant Kim. Normalerweise hätte er Seven of Nine noch hier vermutet, aber da er sie nirgends entdecken konnte, ging er davon aus, dass sie in der Astrometrie war.  

  Er atmete einmal tief durch. „Lieutenant Paris…“, wandte er sich an ihn. „Geben Sie einen Kurs zum Wurmloch ein und bitten Sie um die Starterlaubnis.“

  „Kurs eingegeben“, bestätigte der Pilot. „Starterlaubnis wurde erteilt.“

  „Den Impulsantrieb aktivieren.“

  „Impulsantrieb aktiviert.“

  Riker ließ sich in den Captains Chair sinken und tauschte mit Worf einen kurzen Blick, bevor er sagte: „Bringen Sie uns fort.“

  „Mit dem größten Vergnügen, Sir.“ Paris lächelte, als er die Navigationskontrollen betätigte. Er deaktivierte die magnetischen Anker, schaltete die Rumpfbeleuchtung ein und ließ die Voyager dann beschleunigen. Er flog sie fort von dem riesigen Andockmast und über den Andockring hin-weg direkt auf das Wurmloch zu. „Zeit bis zum Eintritt: Fünfundvierzig Sekunden“, meldete er.

  „Captain“, ließ sich Kim vernehmen. „DS9 wünscht uns einen guten Flug und wir sollen auf uns aufpassen.“

  „Das werden wir.“ Riker nickte und beobachtete auf dem Hauptschirm, wie sich der Schlund des künstlich erzeugten Raumtunnels öffnete, als sich das Föderationsraumschiff ihm näherte. Das Deck begann zu vibrieren und je näher sie kamen, desto stärker wurden die Vibrationen. Die Voyager wurde praktisch verschlungen und gelangte wenige Sekunden später auf der anderen Seite wieder in den normalen Raum.  

  „Mister Paris, neuer Kurs“, wandte sich Worf an den jungen Ehemann und Vater. „Richtung zwei eins null Punkt drei acht fünf. Warp sechs.“

  „Aye, Sir“, bestätigte Paris und gab die neuen Daten ein. Gleich darauf beschleunigte das Schiff auf Warpgeschwindigkeit und raste dem Unbekannten entgegen.

 

 

 

  Es war fast Mitternacht. Kim saß an einem Tisch im halbdunklen Casino und blickte auf ein Padd. Dessen bunten Kontrollen spiegelten sich in seinem Gesicht und seinen Augen wieder. Er merkte zuerst nicht, wie jemand den Raum betrat, doch als sich dann jemand neben ihm räusperte, hob er den Kopf und sah Paris. „Störe ich?“, fragte dieser.

  „Nein.“ Kim schüttelte den Kopf. „Ich konnte nicht einschlafen und habe gerade mal ein paar alte Schiffslogbücher gelesen.“

  „Ich kann auch nicht schlafen.“ Paris seufzte und nahm ihm gegenüber Platz. „Ehrlich gesagt habe ich ein ungutes Gefühl dabei, dass wir uns nicht mehr im Alpha-Quadranten befinden.“

  „Kann ich verstehen“, entgegnete der OPS-Offizier und nickte. „Mir geht es ähnlich, aber zu Wis-sen, das es ein Wurmloch gibt, durch das wir jederzeit zurückkehren können, beruhigt mich etwas.“ Er lächelte und beugte sich vor. „Wie geht es Miral? Ich habe gehört sie ist krank.“

  „Ja, sie hat eine leichte Grippe, aber der Doc hat ihr ein Medikament gegeben und es geht ihr schon wieder besser. Sie schläft gerade. Zusammen mit ihrer Mum.“ Paris lehnte sich zurück und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. „Ich wünschte, das könnte ich jetzt auch.“

  „Wie ich sehe, bin ich nicht der Einzige, der keinen Schlaf findet“, sagte plötzlich Worf. Der Erste Offizier stand in der Tür auf der Steuerbordseite. Nun, da sie in bemerkt hatten, trat er an ihren Tisch heran. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

  „Natürlich, Commander. Setzen Sie sich“, erwiderte Kim sofort und deutete auf den letzten noch freien Stuhl. Als Worf sich gesetzt hatte, fragte er: „Sir, wissen Sie schon wo es uns als erstes hinführt?“

  „Die Langstreckensensoren haben ein Sonnensystem mit einem Weißen Zwergstern entdeckt, dass wir uns näher ansehen wollen“, antwortete Worf.  

  „Klingt nicht gerade nach Aufregung“, kommentierte Paris.

  „Nicht jede Mission muss immer aufregend sein, Lieutenant.“ Worf runzelte die Stirn. „Aber wenn es Sie beruhigt: Wir…“

  Der Erste Offizier kam nicht dazu seinen Satz zu beenden. Eine Erschütterung erfasste das Schiff und gleich darauf fiel die Voyager unter Warp und die Sterne nahmen ihre normale Form an. Ein Kom-Signal ertönte. „Führungsoffiziere auf die Brücke.“

 

 

 

„Bericht“, verlangte Riker, kaum war er aus dem Turbolift gestiegen. Er sah müde aus.

„Auf den Sensoren ist vor wenigen Minuten ein riesiges Trümmerfeld aufgetaucht“, sagte Walter Baxter. Der stellvertretende Sicherheitschef hatte das Kommando über die Nachtschicht gehabt, doch nun überließ er dem Captain den Sessel und trat an eine Station im hinteren Teil der Brücke.

  „Computer: Standardbeleuchtung.“ Im Anschluss an die Wortes des Kommandanten erhellten sich die Leuchtelemente an der Decke. „Was hat die Erschütterung ausgelöst?“, fragte er, als auch die übrigen Brückenoffiziere eintrafen und ihre Posten einnahmen.

  „Eine unbekannte Strahlung geht von dem Feld aus“, meldete Paris, nachdem er seine Anzeigen überprüft hatte. „Sie hat unser Warpfeld kollabieren lassen. Der Warpantrieb ist ausgefallen.“

  „Mit Ausnahme des Warpantriebs haben wir keine Schäden erlitten“, berichtete Kim.

  „Captain, wir gelangen in Sichtweite.“ Tuvok berührte einige Kontrollen seiner Konsole und gleich darauf erschien das Trümmerfeld auf dem Hauptschirm. Ein riesiges Meer aus Schrott erstreckte sich vor der Voyager. Einige größere Teile, die noch über eine Atmosphäre verfügten, schienen sogar noch zu brennen.  

  „Analyse“, befahl Riker.

  „Es scheinen die Überreste eines Schiffes der Föderation zu sein“, las Kim von seinen Anzeigen ab, nachdem er einen Scann durchgeführt hatte. „Die Trümmer besitzen eine Tritanium-Legierung.“

  „Mister Kim hat Recht“, ließ Worf verlauten und berührte Schaltflächen der Kommandokonsole, woraufhin sich das Bild auf dem Schirm veränderte und eines der Trümmerteile vergrößert wurde. Man konnte deutlich die auf die Hülle eines Sternenflottenschiffes aufgemalte Grafik sehen und die Überbleibsel einer Registrierung. „Wenn mich nicht alles täuscht sind wir hier gerade auf die Reste der USS Independence getroffen.“

  „Independence?“, wiederholte Tuvok.

  „Ein erst vor wenigen Wochen in den Dienst gestelltes Schiff der Waterloo-Klasse“, erklärte Riker. „Sie sollte eigentlich nach einem geeigneten System für einen Außenposten der Föderation suchen. Sieht so aus, als wären sie nicht dazu gekommen.“

  „Captain, es scheint, als wären dieses Schiff von den Borg assimiliert worden, bevor es zerstört wurde“, sagte Worf und stand aus seinem Sessel auf. „Mehrere Trümmer weisen Borg-Technologie auf.“

  „Sir, es gibt da ein noch halbwegs intaktes Fragment der Untertassensektion, das noch über eine gewisse Atmosphäre verfügt“, meldete sich Kim. „Ich registriere ein Lebenszeichen, aber es ist sehr schwach.“

  „Borg?“

  „Das kann ich nicht sagen. Die Strahlung die unseren Warpantrieb stört, wirkt sich auch auf die Sensoren aus.“

  Riker sah zum Hauptschirm und überlegte einen Moment. „Erfassen Sie den Überlebenden und beamen Sie ihn direkt auf die Krankenstation“, entschied er schließlich und schritt zum Turbolift. „Postieren Sie Sicherheitswächter an dem Zugang zur medizinischen Abteilung. Tuvok, begleiten Sie mich.“

  Mit diesen Worten betrat der Kommandant zusammen mit dem Vulkanier die Transportkapsel und die Tür schloss sich hinter ihnen mit dem gewohnten Zischen.

 

 

 

  Die Materialisierung war gerade abgeschlossen, als Riker und Tuvok die Krankenstation auf Deck fünf betraten. Der Doktor stand bereits mit einem medizinischen Tricorder in der Hand bereit und begann seinen neuen Patienten umgehend zu scannen. Als der Captain näher kam, sah er einen jun-gen Mann, der beinahe Borg war. Implantate waren überall an seinem Körper zu sehen und seine Adern und Venen zeichneten sich schwarz unter der blassen Haut ab. Aber trotzdem schien er nicht vollständig assimiliert worden zu sein. „Doktor…“

  „Er wurde zu fünfundsiebzig Prozent assimiliert“, berichtete das MHL, während es weiter mit dem kleinen Untersuchungsmodul über den Körper des Bewusstlosen fuhr. „Doch aus irgendeinem, mir unerklärlichen Grund haben die Nanosonden ihre Aktivität eingestellt. Sie… schlafen.“

  „Sie schlafen?“, wiederholte Tuvok und hob eine Braue.

  „Ja.“ Der Chefarzt nickte. „Deswegen ist dieser Mann auch noch nicht vollständig Borg. Ich denke, ich kann die ihm bereits zugefügten Implantate entfernen, aber das wird dauern.“

  „Können Sie ihn aufwecken?“, wollte Riker wissen.

  Das Hologramm nickte. „Aber das halte ich nicht für empfehlenswert. Ich weiß nicht, woran er sich erinnert und wie er reagiert, wenn er sich so sieht.“

  „In Ordnung.“ Der Kanadier nickte ebenfalls. „Fangen Sie an und informieren Sie mich sobald Sie fertig sind.“

  „Aye, Captain“, bestätigte der Doktor und rief Telfer zur Hilfe. Gemeinsam mit ihm machte er sich an die Arbeit. Riker beobachtete sie kurz und wandte sich dann an Tuvok, der noch immer neben ihm stand. „Commander, gehen Sie auf Alarmstufe Gelb und scannen Sie kontinuierlich nach Borg-Aktivität.“

  „Ja, Sir“, antwortete Tuvok und verließ die Krankenstation, um sich auf dem Weg zur Brücke zu machen.

  Riker blieb noch einen Augenblick, bevor auch er ging und auf den Korridor hinaus trat.

 

 

 

  Es war still im astrometrischen Labor, wenn man mal von den üblichen Geräuschen, wie das leise Surren von Datenkolonnen, die über Displays liefen und das Piepen, das hin und wieder von einer Konsole ausging, absah. Seven of Nine stand auf dem Podest und betrachtete die Darstellung einer Sternenkarte, die der große, gewölbte Bildschirm zeigte, während sie sich hin und wieder ein paar Notizen auf ihrem Padd machte.  

  „Hier ist der Bericht, den Sie angefordert haben“, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr und sie zuckte erschrocken zusammen. Als sie sich umdrehte, sah sie Icheb.

  „Tut mir Leid“, entschuldigte er sich. „Ich habe Sie nicht erschrecken wollen.“

  „Schon gut.“ Seven stieg zu ihm hinunter und nahm den Bericht entgegen. „Ich habe Sie bloß nicht herein kommen hören.“

  „Woran arbeiten Sie?“, fragte der Brunali neugierig und sah zu dem Bildschirm hoch.

  „Der Captain wünscht eine Kartographierung des Sektors“, erklärte sie. „Nebenbei halte ich nach Borg Ausschau.“

  Icheb trat an die Hauptkonsole heran und berührte einige Schaltflächen. „Es gibt keine Borg-Akti-vität in einem Radius von fünf Lichtjahren.“

  Seven nickte zustimmend. „Trotzdem glaube ich nicht, dass die Borg allzu weit entfernt sind. Die Zerstörung der Independence ist noch nicht sehr lange her und weit können sie daher nicht gekom-men sein.“

  „Sie könnten einen Transwarp-Kanal geöffnet haben“, gab Icheb zu bedenken und sah Seven an.

  „Unwahrscheinlich“, entgegnete sie. „Wir befinden uns in einer Region, die es verhindert, dass ein stabiler Kanal geöffnet werden kann. Außerdem hätten wir dann Restspuren von Transwarp ent-decken müssen.“

  „Es ist nicht typisch für die Borg, dass sie sich… verstecken.“ Icheb runzelte die Stirn und wandte sich erneut dem Bildschirm zu. „Und bis auf diesen Nebel in Gitter neun zwei acht gibt es nichts, wo sie hätten Zuflucht finden können.“

  „Das sehe ich genau so.“ Seven war bereits auf dem Weg zur Tür. „Ich werde den Captain infor-mieren. Bleiben Sie hier und setzen Sie die Scanns fort.“

  „Aye, Ma’am“, sagte Icheb ganz nach Vorschrift.

  Dann hatte die ehemalige Borg-Drohne die Astrometrie verlassen.

 

 

 

  Einige Stunde später.

  „Bericht, Doktor“, verlangte Riker, als er die Krankenstation betrat und näherte sich dem OP-Bett, an dem das MHL stand.

  „Ich habe den größten Teil der Borg-Technologie aus seinem Körper entfernt“, sagte der Arzt. „Aber genau wie bei Seven und Icheb war es mir nicht möglich ihn ganz in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.“

  Der Kommandant betrachtete den Mann, der jetzt deutlich besser aussah. Seine Haut hatte wieder eine normale Farbe angenommen und nur noch Implantate über dem linken Auge, so wie bei Seven of Nine, und eines an der Hand waren zu erkennen. „Wecken Sie ihn“, wies er den Doktor an. Das Hologramm sparte sich eine Bestätigung, griff nach einem vorbereiteten Hypospray, das auf einem Tablett lag und legte es dem Mann an die Halsschlagader an. Mit einem kurzen Zischen entlud sich die Injektion und nur wenige Sekunden später öffnete ihr Gast langsam die Augen. Er stöhnte.

  „Wo…Wo bin ich?“, brachte er hervor und seine Stimme war nichts weiter als ein leises Krächzen.

  „Sie sind an Bord des Föderationsraumschiffes Voyager. Ich bin Captain Riker, das ist der Doktor.“

  Der Blick des Mannes wanderte vom Kommandanten zu dem MHL und wieder zurück. „Ich… Ich bin Fähnrich Alan Franklin von der USS Independence“, stellte er sich dann vor und setzte sich auf. „Was ist mit…“ Er sprach den Satz nicht zu Ende, als er das Metall an seiner Hand entdeckte. Panik blitzte plötzlich in seinen Augen und er betastete hastig den Rest seines Körpers. „Was ist mit mir passiert?“

  „Sie sind von den Borg assimiliert worden“, erklärte der Doktor. „Zumindest zum Teil. Ich konnte jedoch einen Großteil der Technologie aus ihrem Körper entfernen.“

  „Borg?“, wiederholte Franklin und plötzlich erinnerte er sich wieder. „Ja… Ich… Ich erinnere mich. Wir waren auf dem Weg in ein Zwergsternsystem, als wir von ihnen angegriffen wurden. Sie enterten uns.“ Er schüttelte den Kopf um die schlimmen Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. „Was ist mit meinem Schiff?“

  „Es wurde zerstört“, antwortete Riker. „Glücklicherweise nicht ganz. Wir fanden Sie in einem Fragment, das noch über eine Atmosphäre verfügte. Sie haben Glück, dass Sie noch am Leben sind.“

  „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich mich darüber freuen soll“, entgegnete Franklin und erneut betrachtete er das Borg-Implantat an seiner Hand.  

  Der Kommandant konnte nachempfinden wie er sich fühlen musste. Er legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter und wollte ihn gerade etwas aufmuntern, als eine heftige Erschütterung die Voyager erfasste. Sofort dämpfte sich das Licht und die Indikatoren an den Wänden und Decken blinkten rot auf und Sirenen heulten.  

  „Roter Alarm“, drang die Stimme von Worf überall auf dem Schiff aus den Lautsprechern. „Alle Mann auf Gefechtsstationen. Captain Riker auf die Brücke.“

 

 

 

  Gerade als Riker aus dem Turbolift stieg, erbebte das Schiff erneut. Der Captain stützte sich an der Wand ab, um nicht zu Boden zu fallen. „Bericht!“, rief er.

  „Ein Borgkubus ist plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht und hat das Feuer eröffnet“, sagte Worf.

  „Schilde sind runter auf neunzig Prozent“, meldete Tuvok. „Phaser zeigen keine Wirkung.“

  Riker stieg die Treppenstufen des oberen Brückendecks hinunter und ging zum Kommandosessel. „Remodulieren Sie die Phaser, sodass sie mit einer sich ständig ändernden Frequenz feuern und laden Sie die Quantentorpedos. Feuern wenn bereit.“

  „Aye, Captain“, bestätigte der vulkanische Sicherheitschef und führte den Befehl sofort aus. Gleich darauf zuckten mehrere, goldene Phaserstrahlen durchs All und Torpedos rasten auf die Borg zu. Sie detonierten an den Schilden des Kubus, die kurz flackerten, aber stabil blieben. Doch die Angreifer ließen den Treffer nicht auf sich sitzen und feuerten zurück. Mehrere Disruptorsalven trafen die Voyager. Das Deck erbebte und Konsolen explodierten. Funken sprühten aus einigen Leuchtele-menten an der Decke.  

  Beinahe wäre Franklin, der soeben die Brücke betreten hatte, gestürzt, doch er konnte sich gerade noch rechtzeitig an der taktischen Konsole festhalten. Er tauschte einen kurzen Blick mit Tuvok, trat dann an das Geländer und sah zum Hauptschirm hinüber, der den angreifenden Kubus zeigte. Seine Hände schlossen sich so fest um das kalte Metall, dass seine Fingerknöchel weiß hervor traten  und seine Atmung beschleunigte sich. Plötzlich hörte er sie… Milliarden Stimmen in seinem Kopf, die von unzähligen Borg stammten. Abermals schüttelte sich das Schiff und weitere Konsolen explodierten.  

  „Schilde sind runter auf fünfundvierzig Prozent“, rief Tuvok laut und sah kurz von seinen Anzeigen auf.

  „Hüllenbrüche auf den Decks zwölf bis vierzehn“, berichtete Kim. „Notkraftfelder sind aktiviert und halten.“

  Riker stand auf, was in ihrer derzeitigen Lage äußerst riskant war. „Tom, Ausweichmanöver Alpha Eins.“

  Paris nickte bloß und gab die neuen Daten in die CONN ein. Doch nicht schnell genug. Eine erneute Salve Torpedos traf die Voyager und diesmal konnten sich einige Offiziere, einschließlich Riker, nicht auf den Beinen halten. Auch Franklin ging zu Boden.  

  „Sir, wir verlieren die Lebenserhaltung auf allen Decks“, rief Kim, „und ich erhalte über Berichte über EPS-Leitungen auf den Decks acht und neun, die auseinander brechen.“

  „Schildstatus?“, wollte der Kommandant wissen und wandte sich zu Tuvok um.

  „Bei zweiundzwanzig Prozent“, antwortete der Vulkanier sofort.

  Der Captain nickte und fasste einen Entschluss. „Bereiten Sie die Transphasentorpedos vor“, befahl er.

  „Captain?“

  „Sie haben mich verstanden, Mister Tuvok.“  

  „Aye.“

  Der Sicherheitschef nickte und berührte einige Schaltflächen seiner Konsole. Gleich darauf schos-sen die Torpedos durchs All und als sie auf den Kubus trafen, explodierte dieser in einem riesigen Feuerball. Trümmer flogen in alle Richtungen und die Voyager wurde ein letztes Mal erschüttert, als sie von der energetischen Druckwelle, die durch die Explosion ausgelöst wurde, erfasst wurde.

  Einige Offiziere atmeten hörbar erleichtert auf. So auch Franklin. Dieser stand noch immer am Geländer. Die Stimmen waren fort und dafür war er überaus dankbar.  

  „Commander Worf, teilen Sie Reparaturteams ein“, wies Riker den Ersten Offizier an.  

  „Ja, Captain.“

  „Sir“, meldete sich Franklin zu Wort. „Ich würde gerne bei den Reparaturen behilflich sein, wenn Sie gestatten.“

  „Natürlich.“ Der Captain nickte und für einen kurzen Augenblick deuteten seine Lippen ein Lächeln an. Franklin trat zu Worf um alles Weitere mit ihm zu klären. Er beobachtete ihn kurz, bevor er dann im Kommandosessel Platz nahm und sich der Kommandokonsole widmete.

 

 

 

  Stunden später. Franklin stand vor der Tür des Bereitschaftsraums und zögerte kurz. Dann betätigte er den Türsummer und gleich darauf öffnete sich das Schott mit dem leisen, gewohnten Zischen.

  „Fähnrich…“, sagte Riker und deutete auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Bitte. Setzen Sie sich.“

  „Ich ziehe es vor zu stehen, Sir“, entgegnete Franklin und legte die Hände auf den Rücken.

  „Na, schön.“ Der Captain nickte und lehnte sich in dem Rollsessel, in dem er saß, zurück. „Lieutenant Torres berichtete mir, dass Sie sehr hilfreich bei den Reparaturen waren.“

  Franklin zuckte mit den Schultern. „Ich habe nur meine Pflicht getan.“

  „Fähnrich, ich habe Ihre Personalakte studiert. Sie waren der OPS-Offizier der Independence, nicht wahr?“

  „Ja, Sir.“

  „Nun, die Voyager hat zwar schon einen sehr fähigen Mann an der OPS, aber ich würde mich trotzdem freuen, wenn Sie an Bord bleiben würden. Mister Kim hat bestimmt nichts gegen einen Stellvertreter, der ihn ab und zu entlastet.“

  Der junge Fähnrich schwieg einen Moment, als er überlegte. „Es wäre mir eine Ehre zu bleiben“, sagte er dann.

  „Gut.“ Riker lächelte. „Ich werde alles Nötige für eine offizielle Versetzung auf die Voyager veran-lassen und das Sternenflottenkommando informieren.“

  „Danke, Captain“, entgegnete Franklin.

  „Keine Ursache.“ Der Kanadier stand auf und ging um den Schreibtisch herum. „Der Doktor hat übrigens nach Ihnen gefragt. Sie sollen sich umgehend auf der Krankenstation melden.“  

  Der neue, stellvertretende OPS-Offizier der Voyager nickte bloß und nachdem Riker ihn mit einem knappen „Wegtreten“ entlassen hatte, drehte er sich um und verließ das Büro des Komman-danten wieder.  


Diese Geschichte wurde zum Story Contest der StarTrek: Association eingesandt. Das Copyright dieser Geschichte verbleibt beim Autor der Geschichte (wird am Ende der Voting-Phase, 27.Oktober 2005, bekannt gegeben).