Gestrandet

von Tobias Diekershoff

Eingesandt zum Story Contest der StarTrek Association 2004

"Wie lange schon?", er konnte seine Ungeduld nicht verbergen und eigentlich wusste er auch, wie lange sie schon hier in diesem Loch waren. Vor drei Tagen war ihr Shuttle auf diesem Gott verlassenen Planeten abgestürzt und es grenzte geradezu an ein Wunder, dass er und sein Passagier den Absturz überlebt hatten.

"Zwei Tage, 17 Stunden und 23 Minuten."

Wie er Vulkanier hasste. Nein, nicht die Vulkanier, es war die vulkanische Art, die er hasste. Dieses kalte, logische Analysieren der Lage. Diese emotionslosen Masken, die sie vor sich hertrugen und den Rest des Universums damit an der Nase herum führten.

"Danke, so genau wollte ich es gar nicht wissen."

"Warum fragen Sie dann alle zehn Minuten nach der Dauer unseres Aufenthalts auf dem Planeten? Dadurch vergeht die Zeit nicht schneller oder langsamer, als wenn sie nicht fragen würden."

Aber dann reden wir wenigstens, dachte er bei sich, hob aber nur seine Hände und sagte nichts. Die Pose erinnerte an die Festnahme eines Verdächtigen durch die Sicherheitskräfte, aber das schien seinen Passagier nicht zu interessieren.

"Können Sie mir eines sagen?", durchbrach er erneut die Stille. 32 Sekunden nachdem er seine Hände gesenkt hatte.

"Ich weiß es nicht," kam die Antwort und wäre sie nicht von einem Vulkanier gekommen, hätte er schwören können, dass sein Gegenüber genervt war. "Aber ich werde es versuchen."

"Wie schaffen Sie es so ruhig zu bleiben?", platzte es aus ihm raus. "Ich meine, wie lange sitzen wir hier fest..."

"Zwei Tage, 17 Stunden und 24 Minuten"

"Genau das meine ich! Wir sitzen hier seit Tagen fest und Sie tun geradezu, als ob Sie das alles nichts angeht."

"Und was soll ich Ihrer Meinung nach unternehmen?"

Oh diese Scheinheiligkeit!

"Wir haben alles nötige aus dem Wrack geborgen und können mit den Vorräten aus dem Shuttle mehrere Wochen überleben." Nun sah sich der Vulkanier um und sah aus der Höhle in der sie Unterschlupf gefunden hatten. "Und bis auf den ständigen Regen scheint der Planet der Klasse M anzugehören, es ist also äußerst wahrscheinlich, dass wir nahrhafte Beeren finden oder einige kleinere Tiere erlegen können."

Ein Schauder lief ihm über den Rücken.

"Wir haben den Notfallsender aus dem Schiff geholt und senden ein Notsignal an die Sternenflotte." Der Vulkanier legte eine Pause ein und sah (nachdenklich?) in die Flammen des Feuers, das sie aus dem wenigen trockenen Holz gemacht hatten, das sie in der Höhle gefunden hatten um die Energie des Phasers zu sparen. "In Anbetracht unserer Flugroute können wir davon ausgehen, dass die Sternenflotte in 15 Stunden empfangen wird und dann ein Schiff schicken wird um uns hier abzuholen."

Fünfzehn Stunden? Das ist eine Ewigkeit!

Wieder lief ihm ein Schauder über den Rücken, aber er konnte dem nichts entgegnen, die Analyse des Vulkaniers war vollkommen richtig.

"War es das, was Sie wissen wollten?"

"Eigentlich wollte ich wissen, wie Sie es schaffen, so ruhig zu bleiben."

"Unter Berücksichtigung der Fakten sehe ich keinen Grund dafür nicht ruhig zu bleiben."

Argh!

Er versuchte sich in den Kopf seines Begleiters zu versetzen, auch wenn er wusste, dass ihm das nicht gelingen würde. Seit fast drei Tagen versuchte er es fast stündlich und hatte es nie geschafft. Meistens hatte sein Passagier ihm vorher auf logischem Weg versucht die Situation zu erläutern oder hatte einen geborgenen Gegenstand aus dem Shuttle repariert. Bis zum Einbruch der Nacht hatte er versucht den Replikator wieder in Gang zu bekommen, nachdem er seine Notrationen wütend gegen die Felswand geworfen hatte. Er hatte ihn den ganzen Weg vom Shuttle bin in den Höhleneingang getragen, während er hier lag und nichts machen konnte.

Es fiel ihm nicht leicht hier in der Ecke am Feuer zu liegen, während das Spitzohr die Arbeit erledigte und das ruhig und gewissenhaft, dass es daran nichts auszusetzen gab. Der Vulkanier war Ingenieur und von dem, was er so gehört hatte, bastelte er hauptsächlich an den Warpantrieben der nächsten Generation herum, aber er musste zugeben, dass dieser Vulkanier auf fast allen Gebieten ein begnadeter Bastler war. Er meinte, dass seine Beine und einige Rippen gebrochen waren, aber das keine Gefahr bestand.

Keine Gefahr? Das musste der vulkanische Humor sein. Keine Gefahr? Er lag hier fast tot oder zumindest dem Sterben nahe im Nirgendwo gestrandet mit einem Vulkanier und weit und breit war kein Arzt zu sehen! Er würde hier krepieren, so viel war sicher!

"Ok, dann versetzen Sie sich mal in meine Lage! Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie hier untätig rum liegen müssten?"

Dass der Vulkanier jetzt seine Augenbraue hochzog, verwunderte ihn. Was hatte er jetzt wieder getan?

"Ein interessanter Gedanke," war die zögerliche Antwort des Vulkaniers.

Ein interessanter Gedanke? Dieser Typ trieb ihn auf die Palme.

"Ich vermute, dass ich mich am Feuer wärmen und abwarten würde, bis uns die Sternenflotte abholt."

ARGH!

"Nehmen Sie einmal an, Sie wären kein Vulkanier, sondern ein ganz gewöhnlicher Mensch!"

"Das ist unlogisch. Warum sollte ich das tun?"

Um mir einen Gefallen zu tun.

"Machen Sie es doch einfach. Wie würden Sie sich in meiner Lage fühlen?"

"Sie sollten sich jetzt ausruhen. Ich werde das Feuer im Auge behalten."

"Ich will mich nicht ausruhen! Ich will wissen, wie Sie sich in meiner Situation fühlen würden."

"Ruhen Sie sich aus, wenn ich Ihnen verspreche darüber nachzudenken, während Sie sich ausruhen?"

MMMPH!

"Sie schlafen wohl niemals oder?"

"Vulkanier benötigen in der Tat weniger Schlaf als die meisten humanoiden Spezies."

Stille.

"Ich werde später meditieren."

"Also gut. Sie haben gewonnen, ich werde mich ausruhen."

Wieder hatte dieser Vulkanier recht. Es war zum verrückt werden. Missmutig zog er sich die Iso-Decke etwas weiter hoch.

Der nächste Morgen begann für ihn mit einem stechendem Schmerz und einem lieblichen Duft. Anscheinend hatte er sich in der Nacht viel bewegt. Seine Decke lag quer und die Wasserflasche, die neben seinem Kopf gestanden hatte war umgekippt. Bei einer dieser Bewegungen musste er mit seinem linken Bein ausgetreten haben, denn auch dieses lag neben seiner Matte und verursachte diesen schrecklichen stechenden Schmerz, der sich von der Stelle des diagnostizierten Bruchs ausbreitete.

Der liebliche Duft ereilte ihn wenige Momente nach dem Aufwachen. Es war ein Duft, den er sich nicht hatte vorstellen können hier in dieser Ödnis zu riechen.

Frischer Kaffee.

"Kaffee? Wie? Woher?", stammelte er vor sich her, als der Vulkanier ihm eine Tasse reichte. "Es hat sich gezeigt, dass der Replikator doch nicht so stark beschädigt war." begann sein Passagier mit der Erklärung. "Ich konnte die beschädigten Komponenten durch andere Teile aus dem Schiff ersetzen."

"Aha," er hatte ihm nicht zugehört, genoss viel lieber den ersten Schluck Kaffe seit einer Ewigkeit.

"Ich werde wieder zum Shuttle gehen und versuchen noch weitere Reparaturen vorzunehmen."

"Mmmh," er hatte gerade den Replikator entdeckt. Anscheinend hatte der Vulkanier wieder kein Auge zu gemacht und stattdessen die ganze Nacht an dem Ding gebastelt. Es machte einen ziemlich improvisierten Eindruck auf ihn, aber was sollt's - es gab Kaffee und endlich nicht mehr diese elendigen Notrationen.

Erst als der Vulkanier ging, bemerkte er dessen Pläne und begriff sie. Was wollte er jetzt noch am Shuttle? Er hatte schon zwei Tage daran rumgebastelt und hatte nur den Replikator und die Notfallbarke bergen können.

Erst am Abend sollte er seinen spitzöhrigen Begleiter wieder sehen. Den Tag hatte er mit schlafen zugebracht oder sich eine Köstlichkeit im Replikator gemacht, der glücklicherweise in seiner Reichweite stand. Auch wenn es wahrscheinlich kein Glück war, sondern kühle vulkanische Berechnung, wie ihm gegen Mittag einfiel.

"Und? Haben Sie noch etwas erreicht?"

"Nein. Aus dem Wrack ist alles geborgen, was man noch verwenden konnte."

Normalerweise hätte er sich über diese kalte Diagnose geärgert, aber jetzt war es anders. "Ich habe ein wenig in den Datenbanken des Replikators gestöbert," verkündete er stattdessen, "warten Sie kurz."

"Computer - Abendessen 3.01 bitte."

Der Replikator piepste kurz und dann erschien ein kleines Festmahl in der Einöde. "Vulkanischer Kräutertee und Kalmara für Sie und ein Omelett für mich," gab er den Speiseplan bekannt, "ich habe auch noch eine Nachspeise vorbereitet."

Voller Neugier beobachtete er den Vulkanier, während dieser sich seine Portion nahm und ihm das Omelett hinstellte, ob er irgendeine Reaktion zeigte. Aber da war keine.

"Danke."

Immerhin, Manieren hat er. "Nicht der Rede wert! Immerhin haben Sie den Replikator wieder repariert."

Stille.

Aber diesmal bildete er sich ein den Grund für die Stille zu kennen. Es war ganz offensichtlich, dass sein Passagier die Kalmara genoss, die er ausgesucht hatte.

"Ich habe über ihre Frage nachgedacht," unterbrach der Vulkanier dann plötzlich die Stille.

Welche Frage? Ach richtig - die Frage. Er hatte sie schon fast vergessen gehabt.

"Wenn ich in ihrer Lage wäre und, wie sie es ausdrückten, ein ganz gewöhnlicher Mensch wäre." Er machte ein Pause, schien sich der Aufmerksamkeit seines Gegenübers zu versichern.

"Ich denke..."

Weiter kam er nicht, denn aus dem Lautsprecher der Notfallbarke bellte plötzlich ein tiefer Bass. "Hier ist der Föderations Transporter Shima 3, können Sie mich hören Shuttle 7223-B?"

"Positiv Shima 3 - Hier Kavoc vom Shuttle 7223-B ich kann Sie hören."

Was denken Sie? Kann er denn nicht einfach sagen das er sich genauso verhalten würde?

"Wir haben ihren Notruf empfangen und werden in zehn Minuten in den Orbit einschwenken, um Sie an Bord zu beamen. Gibt es Änderungen ihrer Situation?"

"Negativ Shima. Unsere Situation ist unverändert. Ein schwer Verletzter, mehrere Brüche und ein leicht Verletzter. Das Shuttle ist zu stark beschädigt als dass eine Bergung Sinn macht. Den Flugschreiber haben wir bereits ausgebaut."

"Verstanden. Bis in zehn Minuten dann. Shima 3 - Ende."

"Was denken Sie?"

"Ich denke, dass wir in zehn Minuten geborgen sein werden."

"Das meine ich nicht! Was denken Sie, würden Sie an meiner Stelle tun?"

"Nicht jetzt - ich werde packen."

"Aber..."

Der Vulkanier stand einfach so auf und begann die Ausrüstung, die er aus dem Wrack geborgen hatte in der einzigen Tasche zu verstauen, die sie im Shuttle gefunden hatten.

Dämliche Vulkanier - kann er nicht einfach sagen, dass er sich genauso verhalten würde, wenn er in meiner Lage wäre?

Nicht ganz zehn Minuten später meldete sich die Shima 3 wieder und beamte dann zwei Personen und einen Seesack an Bord.


Diese Geschichte wurde zum Story Contest der StarTrek: Association eingesandt. Das Copyright dieser Geschichte verbleibt beim Autor der Geschichte.